Von Aleppo auf die Tartanbahn

"Plötzlich stand er mit einem Zettel vor mir, auf dem stand: Lief mit 17 Jahren die 800 Meter in 1:55 Minuten", erzählt Motor Eberswaldes Leichtathletik-Trainerin Sabine Preuß über ihr erstes Treffen mit ihrem Schützling Suliyman Othman aus Aleppo.

Mittlerweile trainiert der 21-Jährige drei Mal die Woche beim SV Motor Eberswalde unter der Leitung von Sabine Preuß und absolviert den Bundesfreiwilligen Dienst für Geflüchtete (BFD) beim SV Motor.

"Am Anfang war es schon nur Kommunikation mit Händen und Füßen", berichtet Sabine Preuß. Und das, obwohl beide insgesamt sieben verschiedene Sprachen sprechen. Doch direkt nach seiner Ankunft im Januar 2016 absolvierte Suliyman die Anfängerkurse und wartet nun auf den Beginn des Erweiterungskurses im Januar. "Es ist schon besser geworden, doch am besten geht es noch per Smartphone und Whatsapp, dort werden ja auch immer Wörter vorgeben", so Preuß weiter.

Zum Laufen braucht man aber zum Glück nicht viele Worte. So nimmt Suliyman direkt im Mai an den Landesmeisterschaften in Potsdam teil. Dort startete er zwar außer Konkurrenz, dennoch habe er sich nach drei Jahren ohne Training ziemlich gut geschlagen. Nun trainiert er seit acht Monaten drei Mal die Woche unter Sabine Preuß und bekommt von ihr pro Woche noch zwei Sonderaufgaben. Denn im Januar stehen für ihn die ersten offiziellen Hallenwettkämpfe an. "Dadurch, dass er jetzt wieder im Training ist, denke ich schon, dass er ganz gut mithalten kann", so Trainerin Preuß.

Dabei spielt das Laufen in seinem gesamten Leben eine große Rolle. Wie fast alle Jungs, fängt Suliyman in Aleppo mit sechs Jahren an Fußball zu spielen. Seit er neun Jahre ist, rückt das Laufen in den Vordergrund. Doch kurz vor dem Abitur macht der Krieg in seinem Heimatland ihm einen Strich durch die Rechnung. Zunächst flüchtete er mit seiner Familie aus Aleppo nach Beirut (Libanon), ehe es in die Türkei ging und von dort nach Eberswalde. Nun lebt er mit seinen Eltern und seinen zwei Geschwistern in der Kreisstadt.

Besonders die Zeit im Libanon und der Türkei sei hart gewesen. "Dort musste ich täglich 10 bis 14 Stunden arbeiten. Das war sehr anstrengend", berichtet Othman.

Doch mittlerweile kann er wieder seinem Hobby nachgehen. "Mit Frau Preuß macht das Training Spaß. Sie ist nett, aber auch streng", erzählt er lachend. Dabei wurde er von den Kindern der Trainingsgruppe, die bisher ausschließlich aus Mädchen besteht, ohne Probleme aufgenommen. "Wir haben zwar eine Jungen-Trainingsgruppe, doch das sind alles keine Läufer, sondern nur Sprinter. So ist er der einzige Junge unter acht Mädchen. Dabei versuchte er schon öfter, seine Freunde zu überreden ihn zu begleiten, doch die möchten nicht so viel laufen und wollen ihn lieber überzeugen, mit ihnen Fußball spielen zu gehen.

Dabei profitiert vor allem Lauf-Talent Lucia Hemeling ungemein von seiner Anwesenheit. "Er ist für sie der optimale Trainingspartner, denn er kann als Einziger vom Tempo mithalten, beziehungsweise ist schneller als sie", erklärt Trainerin Preuß. Nachdem sie im September von der Möglichkeit eines BFD erfuhr, nahm sie sofort Kontakt zum Landessportbund auf. "Das war dann relativ viel Papierkram, doch seit Oktober macht er nun seinen Freiwilligendienst für uns und ist unter anderem für das Auf-und Abschließen der Hallen zuständig", so Preuß. Je nachdem, wie schnell er mit der deutschen Sprache vorankommt, wolle man ebenfalls versuchen, dass er im nächsten Jahr an einem Trainerlehrgang teilnimmt.

Doch, dass noch nicht alles perfekt läuft, zeigen seine ersten Erfahrungen, die er beim Sparkassenlauf-Cup gemacht hat. Zunächst verlief er sich bei seiner ersten Teilnahme und absolvierte eine viel zu lange Strecke. Im Herbst war es dann das Gegenteil, denn dort kürzte er ungewollt ab. "Doch Läufer sind da alle gleich. Die haben manchmal einfach Scheuklappen vor den Augen", beruhigt Sabine Preuß.

In Zukunft möchte Suliyman Othman dem Sport treu bleiben. Zunächst möchte der 23-Jährige sein Abitur nachholen, ehe er irgendwann mal Sportlehrer werden möchte und seine Begeisterung für das Laufen weitertragen.